Was schon andere interessierte
Was war das Schwierigste an der Reise?
Das Losfahren und das Ankommen. Beim Aufbruch galt es die Barrieren im Kopf und die Ängste zu überwinden. Bei der Rückkehr fiel die „Resozialisierung“ in manchen Bereichen ziemlich schwer. So kann ich mich zum Beispiel unangemessen stark darüber aufregen, wenn irgendwo Essbares verschwendet wird. Da sind zu viele Bilder vom Hunger in meinem Kopf.
Was würdest Du beim nächsten Mal anders machen?
Nicht viel. Mit weniger Krempel losfahren. Außerdem würde ich mir am Anfang der Reise mehr Zeit lassen und versuchen, noch weniger zu planen um noch offener für spontane Entscheidungen zu sein.
Warum mit dem Motorrad und nicht mit einem bequemeren Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln?
Es gibt viele Gründe für das Motorrad – die Herausforderung, das physische Erleben jedes Kilometers, die Unabhängigkeit sind wohl die wichtigsten. Auf dem Motorrad ist man seiner Umwelt sehr nahe, spürt Hitze, Kälte, riecht jede Nuance. Und um zu spüren bin ich aufgebrochen. Im Auto würde ich mich abgekapselt fühlen. Ein weiterer großer Vorteil des Motorrades wurde mir erst unterwegs bewusst: Die Menschen wollen dem Schutzlosen, dem Ausgesetzten helfen, fühlen sich quasi verantwortlich. Diese Erfahrungen gehörten zu dem Besten der Reise. Das spartanische Motorrad stellte mich auch mit dem größeren Teil der Welt – dem weniger wohlhabenden – auf eine Stufe. Dort gelten Mopeds als billiges Transportmittel und nicht als Luxusgut. Das hat die Kontaktaufnahme deutlich vereinfacht.
Warum dann nicht mit dem Fahrrad?
Das wäre eine noch konsequentere und auch die zweite Wahl gewesen. Der wichtigste Grund, welcher mich davon abhielt, war der eingeschränkte Aktionsradius. Nach einem anstrengenden Tag fährt man nicht mal schnell noch 30 Kilometer einen Berg hoch, um da oben sein Zelt aufzustellen, nur weil einem die Aussicht von da oben als sehr lohnenswert erscheint. Mit dem Motorrad schon. Andererseits sind mir sicher Details entgangen, die mir die Reise mit dem Fahrrad gezeigt hätte.
Welches war dein Lieblingsland?
Das kann ich nicht sagen, da würde ich zu vielen Unrecht tun. Einige stehen für bestimmte herausragende Eigenschaften: Simbabwe für die Begegnung mit wilden Tieren, Chile für die Landschaft, Argentinien für das Lebensgefühl, Kolumbien für die Gastfreundschaft, Japan für die Fremdartigkeit und die Mongolei für Freiheit.
Wie finanziert man so eine Reise?
Das Ganze klingt viel teurer, als es ist. Ich bin mit 20000 Mark an Erspartem losgefahren plus etwa 15000 Mark für Motorrad und Ausrüstung, der Preis für einen Golf. Unterwegs ergaben sich allerhand Chancen, sich nützlich zu machen: als Maurer in Kenia, als Zimmermann in Australien, als Tischler in Bolivien, als Führer einer Motorradtour in den USA und als Damenfußballtrainer in Kanada. Bei manchen Jobs verdiente ich gutes Geld, bei anderen gab es gute Erfahrungen oder ein Bett und etwas zu Essen als Entlohnung. Einen Großteil des Budgets deckte ich durch Reiseartikel in Publikationen in mehreren Ländern. Ansonsten lebte ich, was materiellen Luxus betraf, recht anspruchslos. Unterkunft war das Zelt, am liebsten in freier Natur. So reichten 250 bis 300 Euro im Monat als Budget.
Wie hat das Motorrad durchgehalten?
Darum muss man sich die wenigsten Sorgen machen, was ich natürlich erst im Nachhinein weiß. Es bekam seine regelmäßigen Streicheleinheiten. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es mich auch deswegen ohne größere Ausfälle so weit gebracht hat. Nach einer Weile kannte ich die Maschine so gut, als wäre sie ein Teil von mir. Wenn etwas kaputt ging, und das passiert bei einer solchen Tortur von mehr als vier Äquatorumrundungen zwangsläufig, dann führte die kleine Zwangspause immer zu interessanten Begebenheiten. Ted Simon, ein anderer Motorradfahrer, sagte sehr treffend: „Die Unterbrechungen sind die Reise.“.
Würdest Du die Reise wieder machen?
Wenn ich sie noch nicht unternommen hätte – sofort. Für ein zweites Mal würde mir vielleicht die Energie fehlen. Es kostet einiges an Kraft, täglich ums „Überleben“ kämpfen zu müssen. Allerdings befinden sich noch genügend Träume in der Schublade.